Der sanfte Souverän Ivan Liška tanzt! Am Sonntag, seinem 65. Geburtstag, in „Le Corsaire“ in München

Ivan Liska wird 65!

Vor dem kostbaren Vorhang im Münchner Nationaltheater: Ballettdirektor Ivan Liska, der gern und offen mit seinem Publikum spricht. Applaus auch zu seinem 65. Geburtstag! Das treffliche Foto stammt von Charles Tandy.

Er hat diese sanfte, dennoch majestätische Energie. Und einen sehr sicheren Instinkt für Humor! Beides zusammen, die Souveränität und die Selbstironie, ergibt sein unverwechselbares Flair. Ivan Liška, der einer der bewegendsten Tänzer seiner Generation war und einer der erfolgreichsten Ballettdirektoren ist, wird am Sonntag, dem 8. November 2015, 65 Jahre alt – man darf ihm herzlich gratulieren, obwohl diese Zahl, dieses Datum, im Grunde gegenstandslos ist. Zumal, wenn man den Jubilar sieht, ihn beobachtet, ihm zuhört, mit ihm spricht. An seinem Ehrentag gibt es sogar die Gelegenheit, ihn mit seinem Bayerischen Staatsballett noch einmal auf der Bühne zu erleben: in der Rolle des komischen Tyrannen Said Pascha in Liškas rasanter choreografischen Version des Ballettklassikers „Le Corsaire“.

Liška (dessen Name „Lischka“ ausgesprochen wird) ist indes keiner, der mit der Tür ins Haus fällt und alles tut, nur um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er geht sachte durchs Leben, nichtsdestotrotz mit hartnäckiger Geduld. Vier Jahre warb er um seine Gattin Colleen Scott, die früher mit ihm tanzte und heute einer seiner Ballettmeisterinnen ist. Auch als Tänzer hatte Liška stets einen langen Atem: vom Prager Konservatorium kommend und sich jung in den Westen schmuggelnd, schien er einen unsichtbaren, aber vorgezeichneten Weg zu gehen, der ihn zu seiner außerordentlichen, lang anhaltenden tänzerischen Blüte brachte.

Ivan Liska wird 65!

Einer der erfolgreichsten Ballettdirektoren: Ivan Liska, seit 1998/99 Chef des Bayerischen Staatsballetts in München. Foto: Charles Tandy (Ausschnitt)

Jetzt wird er diesen Geruch der Bühnenluft noch einmal wie ein Lebenselixier einsaugen und die Kunst, die Zuschauer zu faszinieren, noch einmal ausüben. Es wird ihn und viele im Publikum an seine Karriere als Ballerino erinnern: Er tanzte nach Prag zuerst in Düsseldorf für Erich Walter, dann in München für Dieter Gackstetter und schließlich in Hamburg für John Neumeier. Kaum eine Stilrichtung, die er nicht getanzt hat; Rollen wie den verträumt-sensiblen Gärtner Lysander in Neumeiers „Ein Sommernachtstraum“ hat er ebenso kreiert wie dessen stoffelig-radikalen „Peer Gynt“. Und so viel mehr! Klassik, Romantik, die verschiedensten Körpersprachen der Moderne: all dies kann Ivan Liška tanzen, mehr noch: Er kann es auch denken.

Dass er jemand ist, der den Überblick behält, wenn alle anderen im Chaos zu versinken drohen, bewies er früh. Als Ballettdirektor führt er zudem die verschiedensten Fäden der Kunst zusammen, um ein einzigartiges Geflecht aus gutem Geschmack, viel Kreativität und tänzerischer Virtuosität entstehen zu lassen. Es ist keineswegs ausgemacht, ob sein Nachfolger, der russische Tänzer Igor Zelensky, dieses Niveau beim Bayerischen Staatsballett wird halten können. Mit Irène Lejeune fand Liškas Staatsballett zudem eine engagierte Mäzenin und „Botschafterin“, und ein weiterer Ritterschlag für seine Compagnie ist es, dass der weltweit angesagte moderne Choreograf Jiří Kylián 2009 für das Bayerische Staatsballett kreierte, und zwar das metaphernreiche Ballett „Zugvögel“.

Dass es sich bei der laufenden Spielzeit um Liškas letzte als Direktor des Bayerischen Staatsballetts (BS) handelt, ist für viele seiner Anhänger fast ein Grund zu trauern. Seit 1998 /99 formt der in Prag geborene Ballettmann seine Truppe, und er verlieh dem von Konstanze Vernon übernommenen Ensemble ein starkes Profil auf zwei Spuren: mit exzellenter, vitaler Klassik einerseits und experimentierfreudiger, nicht nur mainstreamiger Moderne andererseits.

Viele Solistinnen und Solisten, aber auch ein Corps, das vor Talenten nur so strotzt, können hier genannt werden. Und außer weltbekannten Superballerinen wie Lucia Lacarra nimmt auch die seit 2011 bestehende Junior Company – das Bayerische Staatsballett II – das Publikum mit in die atemberaubend schöne und vielseitig temperamentvolle Welt des Bühnentanzes.

Ivan Liska wird 65!

In John Neumeiers Männer-Paartanz „Opus 100“ von 1996 ehren Ivan Liska und sein früherer Hamburger Tänzerkollege Kevin Haigen den Choreografen Maurice Béjart. Ein Weltentwurf zum Thema „Freundschaft“ in weniger als zehn Minuten. Foto: Charles Tandy

Der Nachwuchspflege wird Ivan Liška sich auch weiterhin widmen: mit der einst von Konstanze Vernon gegründeten Heinz-Bosl-Stiftung, die begabten Tanzstudentinnen und –studenten aus aller Welt zu einem professionellen Ausbildungs- und Berufsweg verhilft. Als Förderer und Künstler, der den Stab der Liebe zum Tanz weiter gibt, hat Ivan seine Berufung in jedem Fall gefunden.

Glanz ja – Oberflächlichkeit nein, so lautet sein Motto. Entsprechend brilliert auch seine Inszenierung des Piratenmärchens „Le Corsaire“, die schwungvoll und hintergründig, aber keinesfalls seicht ist. Der Pascha darin hat einige delikate Auftritte: Er darf sich für Frauen begeistern, sich mit ihnen langweilen – und auch mal durch sie veräppeln lassen. Am Ende aber gewinnt eine große, stete Zuneigung sein Herz – und das passt alles in allem doch ganz hervorragend zu einem 65. Geburtstag!

Dass Liška seine Ausdrucksstärke und Bühnenpräsenz zum vielleicht letzten Mal live unter Beweis stellt, ist ein Grund mehr, die Vorstellung von „Le Corsaire“ am Sonntag besonders zu genießen. Ahoi!
Gisela Sonnenburg

Ivan Liška tanzt in der Abendvorstellung am 8.11., Beginn ist 19.30 Uhr im Nationaltheater.

Mehr über „Le Corsaire“ in München bitte hier:

www.ballett-journal.de/bayerisches-staatsballett-le-corsaire/

Rezension eines Buches über Ivan Liška:

www.ballett-journal.de/ivan-liska/

Die aktuelle Besetzung und anderes natürlich hier:

www.bayerisches-staatsballett.de

 

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