Zehn Jahre lernen… Ballettfans genossen in der Hamburger Theaternacht 2016 den Vorgeschmack auf die nahe und etwas fernere Zukunft: auf „Nijinsky“ von John Neumeier und auf kommende Hamburger Tänzer

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

„Nijinsky“ umarmt seine Ehefrau Romola, für kurze Zeit der geistigen Finsternis entkommen: Aleix Martínez und Silvia Azzoni als Top-Neubesetzungen des Balletts von John Neumeier beim Hamburg Ballett. Foto von der Großleinwand der Live-Übertragung aus der Oper in der Hamburger Theaternacht 2016: Gisela Sonnenburg

„Eine Art Vorschau“ verspricht John Neumeier, Hamburgs genialer Ballettintendant, als er erstmals diese Saison auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper steht. Es ist am Abend der „Hamburger Theaternacht 2016“, und auf dem Programmzettel fürs Große Haus steht schlicht: „’Nijinsky’ – Ballett von John Neumeier. Auszüge“. Nijinsky, das ist Vaslav Nijinsky, der vor rund hundert Jahren gefeierte Tänzer und Choreograf der Ballets Russes in Paris. Neumeier kreierte im Jahr 2000 ein bahnbrechendes Ballett über diesen ersten männlichen Starballerino des 20. Jahrhunderts, dessen Schicksal tragisch endete, da er an Schizophrenie erkrankte. Dennoch ist Nijinsky das Sinnbild für den Ballerino überhaupt vor Rudolf Nurejew, und Nijinsky steht auch für die Ambiguität von Größe und Irresein. „Mein ganzes Leben lang habe ich mich mit ihm beschäftigt“, sagt Neumeier, ernsthaft, aber bestens gelaunt, und er erklärt zunächst, dass es mit dem abendfüllenden Tanzdrama nicht etwa um ein „Dokumentarballett“ noch um eine „biografische Studie“ gehe. Sondern: „Eher um einen Einblick in seine Seele!“

Das Faszinierende an diesem „ersten männlichen Superstar des Balletts“ sei im übrigen nicht die Tatsache seiner hervorragenden Technik gewesen. Also nicht, dass er etwa besonders hoch sprang. Sondern, laut Neumeier: „wie er aussah, als er sprang!“

Sowohl die Erklärungen Neumeiers als auch die Tänze seiner Protagonisten sind aber nicht nur im Opernhaus, sondern auch dank der Live-Übertragung auf der Outdoor-Großleinwand seitlich der Oper sehr gut zu verfolgen. Man hat hier den Effekt von Ballett als Freiluft-Kino: Die Atmosphäre ist bei spätsommerlich-heißem Wetter ohnehin allerbest.

Ganz leichte Verzerrungen des Bildes nimmt man da klaglos in Kauf, in den meisten Kinos hat man sie sogar viel stärker.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Aleix Martínez ist Kennern des Hamburg Balletts kein Unbekannter – aber Erster Solist ist er noch nicht. Dennoch brilliert er in der Titelrolle von „Nijinsky“, hier bei seinem ersten Auftritt als solcher, während der Hamburger Theaternacht 2016 in der Übertragung in den Kalkhof im Outdoor-Bereich. Foto: Gisela Sonnenburg

Zurück zu Nijinsky, dem Wunderstar, dem seine Kunst die Gesundheit nicht retten konnte.

Als Nijinsky geisteskrank wurde, habe er, bevor seine Erkrankung ganz schlimm wurde, Tagebuch geschrieben, erklärt John Neumeier. Die Lektüre dessen (das als von Alfred Frank übersetztes Buch im Insel Verlag erschien) war für Neumeier denn auch unerlässlich, bevor er sich ans choreografische Werk machte.

Die Schrägheiten und Verschrobenheiten, mit denen Nijinsky unter dem Eindruck seiner Krankheit auf die Welt blickte – vor allem auf sein direktes Umfeld – hat dieser selbst in den Tagebüchern detailliert beschrieben.

Manches nimmt darin lyrische Gestalt an, meistens aber notierte Nijinsky seinen Alltag im Sanatorium in der Schweiz, wobei er besonderen Wert auf Kleinigkeiten legt, die bei ihm für radikale Stimmungswechsel sorgten.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Depression und Euphorie wechseln sich ab – „Nijinsky“ (grandios: Aleix Martínez) während der Hamburger Theaternacht 2016 auf der Großleinwand beim Opernhaus. Foto: Gisela Sonnenburg

Während er folgende Verse schrieb, will er geweint haben:

„Ich will sagen sagen sagen dir dass ich liebe dich nur dich / Ich will sagen sagen dir dass ich liebe dich nur dich / Ich will sagen dir dass ich liebe liebe dich / Ich will sagen dir dass ich liebe liebe dich.“

In den verschobenen Rhythmen des Gedichtfragments könnte man, wenn man will, Anklänge an Igor Strawinskys „Le sacre du printemps“ erkennen, an jenes Ballett also, das Nijinsky als Erster choreografierte und dessen Uraufführung 1913 einen Skandal sowie den Beginn der Moderne im Tanz zugleich provozierte.

Aber das Gedicht von Nijinsky geht noch weiter: „Ich lieb dich doch du liebst nicht. Du liebst mich nicht so wie Er.“

Die Verknappung im ersten Satz hier (dort fehlt das „mich“ bei „du liebst nicht“) spricht für eine schmerzvoll verhaltene Emotion.

Der zweite Satz dann enthüllt jedoch deutlich Nijinskys religiösen Wahn, der ihn Gottesliebe und Frauenliebe gleichsetzen lässt: „Du liebst mich nicht so wie Er“ bezieht sich auf seine schwierige Ehe mit der einstigen Tänzerin Romola, der Nijinsky als Geisteskranker nur wenig an menschlicher Kompetenz entgegen zu setzen hatte, obwohl er weitaus talentierter und erfolgreicher gewesen war als sie.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Auch am Boden ist „Nijinsky“ ein Tänzer von Gottes Gnaden, in der Choreografie von John Neumeier auch dann, wenn es um den nackten Wahnsinn geht. Aleix Martínez in der Live-Übertragung aus der Oper am 10.9.2016. Foto: Gisela Sonnenburg

Dass das Poem simpel-dialektisch „Du bist Tod und ich bin Leben“ scheinschlussfolgert, und dass an seinem Ende dennoch ein fast trotziges Begehren formuliert wird („Ich will dich ich nur dich.“), überrascht nicht wirklich.

Der kranke Nijinsky war seinen Gefühlen hilflos ausgeliefert.

Er fühlte sich von Romola abgelehnt, und er bereute irrwitzigerweise seine Eheschließung und seine Blumengeschenke an sie mehr als die Tatsache, dass er „weggesperrt“ war.

Dass sie sein Geld und seinen Erfolg mehr liebte als ihn – was er beklagte – mag möglicherweise nicht nur falsch gewesen sein.

Welchen erfolgreichen Workaholic kann nicht so ein Beziehungsschicksal treffen? Frauen, die vor allem am Glanz und Vermögen eines Mannes teilhaben wollen, sind, nun ja, die logische Folge jeder patriarchalen Gesellschaft.

Immerhin brach in Nijinsky mitunter auch Mitleid mit Romola durch: Er hörte sie dann weinen – und weinte ebenfalls, was er mit eitler Genugtuung notierte.

Für das Eingeständnis, dass es für seine Gattin unzweifelhaft schwer war, die Ehe mit ihm aufrecht zu erhalten, reichte seine intellektuelle Erhellung indes nicht.

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Das Leben – ein Ringen und Streben, aber auch ein Zerstören und Darben. In „Nijinsky“ ist das Leid an der Schizophrenie sinnbildhaft. Aleix Martínez zeigt das auch auf der Großleinwand bei der Übertragung aus der Hamburgischen Staatsoper. Foto: Gisela Sonnenburg

Sein Selbstmitleid blieb – typisch für Kranke – im Vordergrund und wurde von kleinen und größeren Wahnvorstellungen, die ihn selbst als bedauernswert dastehen ließen, noch angereichert.

Als Resümee über das Leben von Vaslav Nijinsky zitiert Neumeier bei der Vorschau während der Hamburger Theaternacht ein von ihm variiertes, bereits geflügeltes Wort über den Mythos Vaslav Nijinsky: „Zehn Jahre Lernen, zehn Jahre Tanzen, dreißig Jahre Sterben“ – in der Tat lebte Nijinsky mit seiner Erkrankung noch viele Jahrzehnte, allerdings ohne jemals wirklich zurückzufinden in die klare Wahrnehmung der Realität.

Das Ballett „Nijinsky“ von Neumeier beginnt denn auch mit dem Einbruch der Persönlichkeit des Startänzers durch die Krankheit.

Mit jenem Tag also, als die Symptome unübersehbar wurden und auch seine Tanzkunst drastisch beeinflussten: Am 19. Januar 1919 tanzte Nijinsky zur besten Teatime um 17 Uhr im Saal des Hotels „Suvretta House“ in Sankt Moritz in der Schweiz zum letzten Mal öffentlich.

Er nannte seinen Soloauftritt „Hochzeit mit Gott“ – auf die religiöse Färbung seines Wahns wurde ja bereits hingewiesen. Neumeier wiederum kreierte in „Nijinsky“ eine Metaebene zu diesem letzten Solo des Meistertänzers: Zusätzlich zur als von Nijinsky imaginierten Choreografie kommen seine Gedanken, Ängste, Hoffnungen.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Konstantin Tselikov tanzt in der Hamburger Theaternacht 2016 expressiv und ergreifend den Bruder von „Nijinsky“, der, wie die Titelfigur, an einer geistigen Erkrankung litt. Foto von der Großleinwand vor der Oper: Gisela Sonnenburg

Da ist Nijinskys Bruder Stanislaw, der ebenfalls mental sehr krank wurde.

Da ist der Krieg, der Erste Weltkrieg, der den Künstler und den Menschen Nijinsky schwer erschütterte.

Da ist aber auch vor allem die Ehe mit Romola, die nach der Geburt der Tochter Kira zunehmend schwieriger wurde und schließlich von Nijinskys krankhaften Gefühlen stark unterminiert wurde.

Aber sie kämpfte!

Romola kämpfte um Nijinskys Seele, um sein Leben, sie schob ihn nicht einfach ab, sondern brachte ihn in möglichst humanen Anstalten unter.

Wenn das Geld der Nijinskys zur Neige ging, organisierte sie Spenden – und dass sie den ehemaligen Star nicht im Stich ließ, all die Jahrzehnte nicht, muss man ihr hoch anrechnen.

Das Beziehungsgefüge der beiden hat John Neumeier in fabelhafte Paartanzvariationen umgesetzt.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Ballett, so atmosphärisch wie im Kino: Auf der outdoor gelegenen Großleinwand wirkt „Nijinsky“ sehr gut. Hier Silvia Azzoni als Romola und Aleix Martínez als Nijinsky. Foto: Gisela Sonnenburg

Da spielt die subjektive Perspektive Nijinskys, in die Neumeier sich hineinversetzte, eine große Rolle.

Da finden sich aber auch Sinnbilder – wie ein Schlitten – die sowohl an Kindheitserinnerungen des in Kiew geborenen Polen Nijinsky gemahnen als auch die Zeitläufte seiner Ehe wiedergeben.

Nijinsky lebte von 1889 (vermutlich) bis 1950 (sicher).

Er hat maßgeblich Anteil an der historisch bedeutsamen Ballettentwicklung, er hat aber auch – als Patient – einen bis heute gravierenden Schwachpunkt der westlichen Zivilisation erlebt.

Seine Krankheit war unheilbar, und sein Überleben wäre ohne aufwändigen Sanatoriumsbetrieb, den er Jahrzehnte in Anspruch nehmen musste, vermutlich nicht so lange zu garantieren gewesen.

„Ich bin kein blutgieriges Tier. Ich bin ein Mensch“, notierte Nijinsky im Tagebuch.

Aber die Kämpfe, die er mit sich selbst ausfocht, gingen wohl oft bis an die Grenzen.

All dies findet sich in Neumeiers Choreografie.

Silvia Azzoni als Romola und Aleix Martínez als Nijinsky präsentieren sie diese Spielzeit als ganz neue Besetzungen der Hauptpartien – und bei der Kostprobe während der Theaternacht am 10. September 2016 wissen beide umso stärker in ihren neuen Rollen zu überzeugen, als sie diese so leidenschaftlich wie ausdrucksstark interpretieren.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Ein einst erfolgreicher Künstler quält sich: Aleix Martínez in der Hamburger Theaternacht 2016 als „Nijinsky“. Leinwand-Foto: Gisela Sonnenburg

Aleix Martínez, der letzte Spielzeit in Balletten wie „Messias“ und „Winterreise“ in Hauptrollen, aber auch, dann in kleineren Partien, in der „Matthäus-Passion“ und im „Nussknacker“ zu begeistern wusste, tanzt den Nijinsky mit starker, von innen kommender Spannung.

Von Beginn an steht fest: Der junge Mann, der sich hier zunächst ins Profil dreht, um dann auf das Publikum zuzukommen, steht unter starkem Druck.

Dieser Nijinsky hier fällt nicht aus irgendeinem Himmel in seine Krankheit hinein, sondern er trägt sie in sich wie ein Geheimnis, das langsam, aber sicher immer stärker zu Tage tritt.

Romola hält tough dagegen.

Immer wieder sucht Silvia Azzoni in dieser Partie den Dialog mit ihrem verrückten Ehemann, immer wieder duldet sie seine Attacken, die manchmal wie aus dem Nichts aus einer zärtlichen Geste entstehen.

Dann würgt er sie, schleift sie über den Boden, aber sie schafft es immer wieder, ihn zu beruhigen, sich sogar heben und führen zu lassen.

Dann führt sie ihn – ebenfalls in einer Arabeske, in der er sie zuvor auf dem Platz drehte.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Silvia Azzoni als Romola ringt um die Seele von „Nijinsky“: So zu sehen auf der Leinwand bei der Übertragung aus dem Opernhaus in der Hamburger Theaternacht 2016. Foto: Gisela Sonnenburg

Seine Erinnerungen verschmelzen mit dem Erleben seiner Ehe; seine Ängste jagen ihn in Wahnvorstellungen; sie ist es, die ihm Halt geben kann, die aber auch oft genug auf Distanz gehen muss und konstatiert, dass er nicht mehr derselbe Vaslav ist, in den sie sich einst verliebte.

Azzoni und Martínez spielen und tanzen das großartig.

Man erinnert sich noch Alexandre Riabko und Anna Polikarpova, auch an Thiago Bordin und Hélène Bouchet, auf einer Gala auch mit Anna Polikarpova, die vor wenigen Spielzeiten diese Partien tanzten. Auch sie konnten einem gerade mit den Pas de deux grandiose Schauer über den Rücken laufen lassen.

Aber die Intensität ist zwischen dem jungen Aleix Martínez und der bereits erfahrenen Silvia Azzoni noch stärker.

Ein tolles schwieriges Paar!

Ihre schönen Füße drücken dabei bereits schon soviel Tatkraft aus, wie man sich bei Romola unbedingt vorstellen muss.

Und seine konzentrierte, hoch präzise Armarbeit bedeutet schon fast die halbe Miete, also einen Gutteil der Rolleninterpretation.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Die Macht der Liebe gegen die Macht der psychischen Erkrankung: „Nijinsky“ von John Neumeier mit Silvia Azzoni und Aleix Martínez in der Hamburger Theaternacht 2016 bei der Live-Übertragung aus der Oper im Outdoor-Bereich. Foto: Gisela Sonnenburg

Martínez’ passionierte Sprungkunst ist derweil bereits allein ein Grund, in die „Nijinsky“-Vorstellung zu gehen.

Da springt er seitliche Spagatsprünge ohne Anlauf, unternimmt „Vogel-Sprünge“ aus dem Stand, hechtet nach vorn auf den Boden über fast zwei Meter Lufthöhe hinweg – und wälzt sich am Boden wie ein Verdurstender.

Aber auch dieses In-die-Starre-Fallen, dieses Unbeweglichsein, das ihm die mentale Erkrankung diktiert, wirkt bei Martínez keinen Deut aufgesetzt oder zu simpel, sondern wird glaubwürdig erfüllt von Leid und Qualen.

Der arme Nijinsky. Was wird sich in seinem Kopf an gruseliger Dramatik abgespielt haben!

Aber auch: Arme Romola!

Man sieht, wie La Azzoni ihre gesamte Lebensenergie (und das ist eine Menge!) dieser von ihr dargestellten Frau leiht, und man sieht, wie die Figur der Romola jedes Quäntchen davon bitter benötigt.

Es ist ein Kampf um Leben und Liebe!

Und tatsächlich schaffen sie es, zwischendrin und am Ende dieses modernen Grand Pas de deux eine utopische Liebe zu tanzen.

Da nimmt er sie in der geöffneten Arabeske, als sei alles wieder gut. Für Momente ist es das auch.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Romola (Silvia Azzoni) widmet ihr Leben ihrem Mann „Nijinsky“ – Foto von der Leinwand bei der Übertragung aus der Oper in der Hamburger Theaternacht 2016: Gisela Sonnenburg

Und für die Schlusspose fällt er gar, ganz wie Albrecht im zweiten Akt in „Giselle“, aufs Knie – und lässt seine Partnerin sich, auf einer Fußspitze stehend, mit erhobenem Bein an ihn lehnen.

Die Poesie hier ist indes unterfüttert, und zwar gleich doppelt: von einer diffizilen zwischenmenschlichen Beziehung des Paares einerseits und andererseits von dem permanenten Kampf der beiden Eheleute gegen die gespenstische Verwirrung von Nijinskys Geist.

John Neumeier hat mit dieser Choreografie ganz sicher eines der bedeutendsten Ballette unserer Zeit geschaffen.

„Ich bin ein Mensch und nicht Gott“, schrieb Nijinsky ins Tagebuch.

Bei John Neumeier sind sich seine Anhänger da manchmal nicht so sicher (was jetzt bitte scherzhaft und als charmantes Kompliment zu verstehen ist).

Jedenfalls sind die kathartischen Tränen, die Neumeier-Ballette wie „Nijinsky“ durch ihre tiefsinnig-ästhetische und durchaus auch moralisch-intensive Machart hervorrufen, niemals verschenkte Zeit.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Sie erzählen sich ihre Probleme miteinander, aber leben sie überhaupt in derselben subjektiven Welt? „Nijinsky“ Aleix Martínez und Romola (Silvia Azzoni) in der Hamburger Theaternacht 2016. Foto von der Großleinwand: Gisela Sonnenburg

Sondern sie können sich auf den Urgrund jedweder Kunst berufen: Sie bewirken großes Glück durch innere Reinigung und zugleich ein empathisches Verständnis für Menschen, denen es nicht so gut geht.

Wenn man von Erhabenheit in der Kunst sprechen möchte, dann also hier!

Zum Glück hat sich das ja auch schon längst weltweit herumgesprochen. Hamburg ist zweifelsohne ein ganz wichtiger Pol in der Ballettwelt, und auch die jungen Leute drängen sich danach, sich hier auszubilden und schulen zu lassen.

So haben die beiden Abschlussklassen der Ballettschule vom Hamburg Ballett derzeit 41 SchülerInnen aus fünfzehn Ländern, im Alter von 16 bis 19 Jahren.

Das erfuhr der geneigte Besucher bei den Vorstellungen der Schüler am Abend der Theaternacht in der „Probebühne I“ der Hamburgischen Staatsoper, und zwar von Schulleiterin Gigi Hyatt, die in freundlich-kompetenten Moderationen das Programm ansagte.

In äußerst kleidsames Zartrosé gewandet, erklärt die einstige Primaballerina Neumeiers die Bedeutung und Gestaltung des Schulalltags: Dem morgendlichen Training folgen Unterricht in Spitzenschuhtanz (für die Mädchen) und in Pirouetten und Sprüngen (für die Jungs) sowie Arbeiten an Einstudierungen „erwachsener“ Ballette.

Fächer wie Charaktertanz, Pas de deux, Komposition, aber auch theoretische Stunden wie Tanzgeschichte und Anatomie oder Deutsch für die ausländischen Ballettstudenten füllen den arbeitsamen Tag.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Sie haben einander nicht verlassen: „Nijinsky“ und Romola, getanzt von Aleix Martínez und Silvia Azzoni in der Hamburger Theaternacht 2016. Leinwand-Foto: Gisela Sonnenburg

Das Training, das in der diesjährigen Theaternacht gezeigt wird, entspricht ausnahmsweise nicht den klassischen Regeln nach Agrippina Waganowa oder Enrico Cecchetti, sondern ist dem modernen Training von Lester Horton entnommen, einem Amerikaner, der von 1906 bis 1953 lebte und der (angehenden) Tänzern eine neuartige Bewegungslehre schenkte.

Vereinfacht gesagt, erinnert die Horton-Technik an einwärts getanztes Ballett mit einer Prise Stretching. Nun ja, das genügt nun nicht zur Beschreibung, aber vom Ansatz her kann man noch klassische Grundzüge erkennen. Eine Ballettstange gibt es allerdings nicht – Horton lässt sich frei und „au milieu“ trainieren.

Bei John Neumeier und in seiner Schule ist die pfiffige Pädagogin und Choreografin Stacey Denham die zuständige Spezialistin für Horton.

Die Jungen und Mädchen der 7. und 8. Ausbildungsklasse („Theaterklassen“) kommen herein. Klavier und Trommeln werden sie begleiten.

Mit leiser Stimme gibt Stacey Denham ihre Anweisungen.

Ruhiges Atmen, langsame Bewegungen: Wie in der Klassik, so beginnt auch das Horton-Training mit sachter Motorik.

Da wird der Rumpf vorgebeugt, die Knie werden gebeugt.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Aleix Martínez tanzt den gebrochenen „Nijinsky“, in der Hamburger Theaternacht 2016, so zu sehen auf der Leinwand vor der Hamburgischen Staatsoper. Foto: Gisela Sonnenburg

Der Rücken wird durchgedrückt, die Arme gehen hoch.

Das Öffnen der Arme ist besonders effektvoll, wenn die jungen Leute auf den im übrigen nackten Ballen stehen.

Eine weitere Übung dient der Lockerung, auch sie ist melodisch-rhythmisch und auch auf halber Spitze (also auf den Ballen stehend) zu exerzieren.

Anmutig wirken die jungen Damen und Herren, leicht jazzig flirren ihre Körper mit schlenkernden Armen und rollenden Schultern über den in Ballettanalogie in der zweiten Position festgesetzten Beinen.

Ein Passé ist hier nicht einfach ein seitlich gehaltenes Knie, wenn der Fuß die andere Kniekehle berührt. Sondern der erwähnte Fuß wird über die Kniekehle geschoben und diese zudem gebeugt. Das sieht nach Merce Cunningham aus, elegant ist es aber allemal.

Auch Penchés gibt es in diesem modernen Training, dazu geht ein Bein hinten hoch bis in den Luftspagat. Die TänzerInnen dürfen sich dabei, anders als in der Klassik, mit den Händen vorn am Boden abstützen.

Es sieht aber dennoch immer noch elegant aus! Das liegt wohl vor allem am Können der Nachwuchstalente!

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Er ist verrückt geworden: „Nijinsky“ (Aleix Martínez) war zuvor der am meisten gefeierte Ballerino der Welt. Hier die Live-Übetragung in der Hamburger Theaternacht 2016. Foto: Gisela Sonnenburg

Es sind ja die kommenden Kräfte des Hamburg Balletts, die man hier tanzen sieht – rund 80 Prozent der Truppe entstammen der hauseigenen Schule.

Zehn Jahre Lernen heißt es im Bonmot über Nijinskys Leben – zehn Jahre Lernen, das gilt locker auch für heutige Tänzer, zumeist sind es ja noch vier bis fünf Jahre länger, je nachdem, wann im Kindesalter begonnen und wann die Profi-Ausbildung beendet wird.

Der Bodenkontakt in der Horton-Technik hat etwas von Gleiten, und wenn man sich an die „Nijinsky“-Choreografie erinnert, in der sich auch mal heftig am Boden gewälzt wird, dann kann man sich vorstellen, dass es dafür günstig ist, dieses Wälzen in so softer Form nach Horton während des Ausbildungsalltags nahezu spielerisch erlernt zu haben.

Doch was heißt schon spielerisch! So einfach und leichtfüßig es aussieht, so sehr ist auch diese Körperarbeit schweißtreibend.

Insbesondere das Aufstehen vom Boden gelingt den beiden Theaterklassen mit scheinbarer Mühelosigkeit – aber auch die schlankesten Tänzerinnen und Tänzer können die Schwerkraft nur dank stetiger Übungsmaßnahmen so fein übergehen.

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Eine Ehe am Ende – und doch hält sie… „Nijinsky“ (Aleix Martínez) und Silvia Azzoni als Romola in der Hamburger Theaternacht 2016 auf der Opern-Leinwand. Die Atmosphäre des Stücks vermittelt sich auch via diverse Medien. Foto: Gisela Sonnenburg

Man mag da gar nicht erst an die trampeligen Manöver denken, die einem in der freien zeitgenössischen Tanzszene oftmals als „Aufstehen“ angeboten werden. Und man hat den Verdacht, dass es den Damen und Herren dort schlichtweg zuviel Arbeit ist, sich eine gewisse Anmut durch tägliches Training zu Eigen zu machen. Nun ja, das Talent zur Grazie muss natürlich auch vorhanden sein, sonst wird es wohl allerdings sehr schwierig mit dem Erreichen gewisser Maßstäbe.

Die „Kinder“, also besser: Die Jugendlichen aus Gigi Hyatts Ballettschulung haben selbstredend Talent nahezu im Überfluss, sie sind auserlesene Eliten, die von und für John Neumeier und seinen Stil zu tanzen geeignet und ausgebildet sind.

Ansonsten wäre ein so hohes Niveau bei so jungen Menschen nicht möglich.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Auch Aleix Martínez, gebürtiger Spanier, hier als „Nijinsky“ auf der Großleinwand seitlich des Opernhauses in der Hamburger Theaternacht 2016 zu sehen, wurde in den Theaterklassen der Ballettschule des Hamburg Balletts ausgebildet. 2010 machte er dort seinen Abschluss. Foto: Gisela Sonnenburg

Der internationale Konkurrenzdruck im Tänzerberuf setzt allerdings auch die Schulen immer stärker unter Zwang; die Globalisierung hat hier den wachsenden Bedarf an technischem Können noch beschleunigt. Da muss mal lobend angemerkt werden, dass man in Hamburg merkt: Technik ist hier nur die Voraussetzung für die Kunst, niemals jedoch der höchste Selbstzweck.

Und es ist einfach wunderbar zu sehen, wie die fast fertig ausgebildeten Hamburger BallettstudentInnen ihr Potenzial zu nutzen beginnen und Ausdruck und Vitalität in die Posen und Sprünge legen.

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Liebe und Wahnsinn: „Nijinsky“ Aleix Martínez und Silvia Azzoni als Romola während der Live-Übertragung aus der Oper in der Hamburger Theaternacht 2016. Leinwand-Foto: Gisela Sonnenburg

Stacey Denhams Lektion jedenfalls klingt mit einer Formation aus, die ich mal „Geordnetes Gewusel“ nennen möchte, und das gekonnte Zucken der Körper hier erinnert trotz seiner Modernität an eine Beschwörung der Mächte des Schönen und Edelmütigen.

Denham rührt übrigens auch mal selbst die Bongotrommel – und dosiert so die Schnelligkeit und Heftigkeit der Ausführung der Bewegungen durch die Tanzenden.

Am Ende tanzen sie flippig (wie von „Hair“-Star Twyla Tharp choreografiert), aber ohne Hektik durch den Vorhang vor der Brandmauer ins Aus… natürlich wirkt das, und der Zusammenhang musischer Bewegungen und mal lauter, mal leiser werdender Musik offenbart sich ein weiteres Mal.

Bravo!

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Manchmal schaut sie entrückt, aber sie gibt nicht auf: Romola, bravourös getanzt von Silvia Azzoni, in „Nijinsky“ von John Neumeier, hier während der Live-Übertragung aus der Oper in der Hamburger Theaternacht 2016. Auch Silvia Azzoni durchlief übrigens die Theaterklassen der Neumeier-Schule. Foto: Gisela Sonnenburg

Viktoria Zaripova ist auch (Gast-)Lehrerin an der Neumeier-Schule, aber sie macht etwas ganz anderes als Stacey Denham. Sie unterrichtet nämlich Charaktertanz, also Folkore auf Ballettart.

„Ein Charaktertanz, wie man ihn in ‚Coppélia’ sehen würde“ – so kündigt die Deutschamerikanerin Gigi Hyatt freundlich die temperamentvolle Kostprobe an, die man da zu sehen bekommt.

Die pompöse Musik von Léo Delibes kommt vom Band, bei soviel Live-Energie auf dem Tanzboden ist das aber fast egal.

Hui! Da saust und braust es an einem vorbei, man hat richtig Mühe, die sechs Paare, die, von je einer Reihe Jungs und Mädchen in Posen stehend umsäumt sind, abzuzählen.

Festlich und stolz ist ihr Ausdruck!

Die Mädchen lassen mit unmerklichem Fleiß die Röcke weiblich schwingen, und die Jungs strecken bei jedem Hüpfer die Füße so schön, dass man vor zehn Jahren nur davon träumen konnte, so viele männliche Füße so nobel gestreckt zu sehen.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Sie hilft ihm, zieht ihn, den Erschlafften, auf dem Schlitten voran: Romola (Silvia Azzoni) und „Nijinsky“ (Aleix Martínez) während der Hamburger Theaternacht 2016 in der Live-Übertragung. Foto: Gisela Sonnenburg

Selten sieht man das „Hacke-Spitze“ ohne Einszweidrei und so gut integriert in einen walzernden Reihentanz.

Synchron und mit sichtlichem Spaß bewegen sich die Formationen – und als die eine Gruppe fertig ist, bildet sich aus den Umstehenden eine zweite, die das muntere Spiel wiederholt.

Am Ende fallen die Jungs leise aufs Knie, die Mädels strecken bravourös die Oberkörper lang – hey, das ist der Geist des russischen Tanzes, der auch in der Klassik eine ganz wichtige Rolle spielt.

Am liebsten würde man „da capo!“ rufen, aber damit würde man höchstwahrscheinlich eher Irritation bewirken als Freude, denn der vorgesehene zeitliche Ablauf des Programms ist in der Theaternacht, bei der viel mehr Besucher Einlass finden wollen als Plätze drin vorhanden sind, selbstverständlich eng getaktet und sollte auch tunlichst eingehalten werden.

Die aufs nächste Programm Wartenden danken es gewiss!

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Die Krankheit, der Schmerz, der Künstler: Aleix Martínez tanzt die Titelrolle von „Nijinsky“ mit großer Überzeugungskraft. Auch auf der Leinwand der Live-Übertragung aus der Oper in der Hamburger Theaternacht so zu beobachten. Foto: Gisela Sonnenburg

Zwanzig und dreißig Minuten lang sind in diesem Jahr übrigens die Beiträge in allen Theatern, nicht nur im Opernhaus – nur die Abschlussparty im Ohnsorg-Theater am Hamburger Hauptbahnhof wird ohne Limit ab Mitternacht steigen.

Aber dann sind die Ballettjugendlichen mit hoher Wahrscheinlichkeit schon längst in ihren Betten, um sich für ihren freien Sonntag etwas Kraft anzuschlafen…

Den freien Tag haben sie sich jedenfalls redlich verdient, auch und gerade die beiden jungen Solisten, die Glanzpunkte des klassischen Repertoires in der choreografischen Manier von Marius Petipa zeigen.

Da ist zunächst das Tambourin-Solo der Titelgestalt aus dem Grand Pas de deux von „La Esmeralda“.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Liebe als Kampf um die Seele des Geliebten: Silvia Azzoni rührt als Romola in „Nijinsky“ in der Hamburger Theaternacht, auch bei der Live-Übertragung aus dem Opernhaus. Foto: Gisela Sonnenburg

Dieses Ballett entstand nach dem Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“ von Victor Hugo. Jules Perrot choreografierte die Uraufführung, Marius Petipa drückte dem Stück später seinen Stempel auf.

Wir sehen eine sehr abwechslungsreich und originell gestaltete Choreografie, die das Tambourin mal mit dem Spitzenschuh, mal mit dem Schienbein, mal mit dem Ellenbogen anschlagen lässt. Natürlich in einem Affentempo!

Dazu tanzt die möglicherweise aus Japan stammende Ballettstudentin flink und sauber viele kleine und größere Ballonés und Pirouetten – mit einer filigranen, aber zugleich sinnlichen Arm- und Handarbeit. Sehr superbe!

Dann kommt ein jungmännliches Stück aus „La Fille mal gardée“, einem bereits im 18. Jahrhundert uraufgeführten Ballett, das ebenfalls von Marius Petipa rund hundert Jahre später neu in Form gebracht wurde.

Hervorragende Sprünge und Drehungen werden uns serviert, als sei der hoch und schlank gewachsene Ballettstudent bereits ein Profi. Der Ausdruck ist neckisch-lyrisch, und der Kniefall nach den Spiraldrehungen klappt, als sei all das ein Kinderspiel. Hervorragend!

Und noch zwei Tanzstücke hat Gigi Hyatt für uns vorbereiten lassen, und zwar von der Ballettmeisterin und Pädagogin Anne Drower, die mit enormem Elan zu arbeiten weiß.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Noch einmal Silvia Azzoni in Aktion als Romola in „Nijinsky“: Großartig auch auf der Leinwand vor der Hamburgischen Staatsoper in der Theaternacht 2016. Foto: Gisela Sonnenburg

Da ist zunächst John Neumeiers „Blumenwalzer“ aus dem „Nussknacker“. Zwölf Mädchen in Bordeauxrot bezaubern mit trippelnden Posen, mit Grand Jetés, die sie exzellent von links nach rechts und von rechts nach links springen, sowie mit auch wichtigen fröhlichen Gesichtern.

Entzückend ist auch ihr Abgang choreografiert: In grazil sich windenden Serpentinen verleihen sie der kleinen Probebühne das Flair einer großen Opernbühne. Toll. Toll. Toll!

So wachsen sie heran, die kommenden Silvia Azzonis, Carolina Agüeros und Anna Lauderes!

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Die Frau, der Schlitten, der Mann – in „Nijinsky“ entscheiden die metaphorischen Kräfte, so zu sehen in der Hamburger Theaternacht 2016 auf der Leinwand der Live-Übertragung. Mit Silvia Azzoni und Aleix Martínez. Foto: Gisela Sonnenburg

Natürlich haben diese beiden aktuellen Primaballerinen vom Hamburg Ballett doch noch das eine oder andere den ganz jungen Mädels voraus.

Aber der Stil ist eindeutig verifizierbar – und man freut sich darauf, die heutigen Auszubildenden eines Tages im Corps de ballet oder auch in Solopartien in der Hamburgischen Staatsoper tanzen zu sehen.

Das gilt auch für die Jungs. Mindestens zwei von ihnen werden sogar zeitnah bereits in den anstehenden „Nijinsky“-Aufführungen mitwirken.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Sie setzt sich auf seinen Schoß, voll Vertrauen, trotz seiner Unberechenbarkeit: Die Eheleute „Nijinsky“, getanzt von Silvia Azzoni und Aleix Martínez in der Hamburger Theaternacht 2016, so zu sehen im Outdoorbereich der Oper. Foto: Gisela Sonnenburg

Dass sie alle ihre Lektion gelernt haben und den „Soldatentanz“ aus John Neumeiers „Nijinsky“ beherrschen, stellen sie just gern in der Theaternacht unter Beweis.

Dramatisch dröhnt die Orchestermusik, es tost und braust ja in Nijinskys Kopf, und die Jungmänner zappeln dazu und springen wild – es ist das Grauen des Ersten Weltkriegs, um das es hier geht.

Kurz und heftig ist dieser Tanz, man powert sich aus, man gibt alles in wenigen Sekunden – und dann liegen fast alle flach am Boden, nur zwei stehen noch.

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Trost trotz Wahn: „Nijinsky“ (Aleix Martínez) und Romola (Silvia Azzoni) in der Hamburger Theaternacht auf der Outdoor-Leinwand der Staatsoper. Foto: Gisela Sonnenburg

Und die Probebühne ist für einige Momente ein Schlachtfeld in der Fantasie eines Tänzers, der aufgehört hat zu tanzen… ergreifend.

Der heftige Applaus ist selbstredend genau am richtigen Platz – und auch an die Lehrerinnen und Lehrer der Schule geht ein heißes Dankeschön!

Das Eine hat man in dieser Theaternacht mal wieder gelernt:

Nijinsky ist ein Jahrhundertballett von John Neumeier

Eine geöffnete Arabeske für die Utopie: Silvia Azzoni (Romola) und „Nijinsky“ Aleix Martínez auf der Leinwand vor der Staatsoper in der Hamburger Theaternacht 2016. Foto: Gisela Sonnenburg

Die Jugend ist die Zukunft! Und so gesehen, sieht es doch zumindest in Hamburg wirklich sehr gut aus für die gerade gekommene Spielzeit sowie auch für die kommenden Jahre.
Gisela Sonnenburg

„Nijinsky“ ab 24. September 2016 in der Hamburgischen Staatsoper

www.hamburgballett.de

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