Geld oder Liebe – oder Revolution Die zweite Besetzung ist eine zweite Interpretation: Sarah Hay und Julian Amir Lacey brillieren in „Manon“ beim Semperoper Ballett

EIn junges frisches Paar tanzt "Manon" in der Semmperoper in Dresden.

„Manon“ mit Sarah Hay in der Titelrolle und Julian Amir Lacey als Des Grieux – eine erfrischende, sehr durchgefeilte Interpretation! Manon ist hier niedlich bis zur Trotzigkeit, Des Grieux hingegen mutiert vom Wissenschaftler zum Abenteurer. Foto vom Schlussapplaus aus der Semperoper in Dresden: Gisela Sonnenburg

Wie eine Königin des Tanzes kniet die junge Sarah Hay als Titelheldin in „Manon“ mit majestätischer Pose auf der Bühne. Sie ist das Zentrum einer kleinen Menschengruppe: Fünf Kavaliere scharten sich soeben noch um sie, trugen sie auf Händen, reichten sie herum wie eine lebende Skulptur und bildeten dann stehend einen Kreis um sie. Dann teilte sich der kleine Trupp – und gab den Blick frei auf die kleine Hoheit in der Mitte. Doch keine Höflinge oder Lakaien huldigten hier wortlos einem göttlichen Sinnbild weiblicher Schönheit und Grazie. Sondern es sind Freier in einem Bordell! Das Ballett „Manon“ von Kenneth MacMillan lotet die barocke Gesellschaft nämlich bis in die Niederungen aus; es unternimmt einige Anstrengungen, in symbolisch aufgeladenen Szenen eine soziale Analyse aufzuzeigen. Beim Semperoper Ballett zeigt nun schon die zweite Besetzung, was für eine große Faszination von dem 1974 in London uraufgeführten Stück ausgeht. Sarah Hay als Manon und Julian Amir Lacey als Des Grieux debütierten beide erstmalig in so bedeutenden, tragenden Rollen: Sie wurden umjubelt, und das zu Recht – ein wunderschönes Paar!

Sarah Hay als Manon ist eine Erbauung: Keck ist sie, frech ist sie, niedlich und launenhaft. Und manchmal ein wahrer Trotzkopf!

Was für ein süßes, leicht verführbares Mädchen, voll Herz, voll Lebensfreude tanzt sie da auf, explodiert förmlich vor Sinnlichkeit – aber sie ist auch labil, denn die Welt, das hat diese Manon schon früh mitbekommen, sie will betrogen sein, und jeder Tag kann flugs der letzte sein.

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Ein prima Team, die beiden Debütanten: Julian Amir Lacey und Sarah Hay in „Manon“ beim Semperoper Ballett. Foto: Gisela Sonnenburg

Julian Amir Lacey als ihr Geliebter Des Grieux nimmt sich angesichts dieses Jungmädchenwunders passend staunend-naiv und burschenhaft-verzaubert aus. Hingerissen ist der bildhübsche junge Kerl von seiner süßen Manon – und sowieso von allem, was für ihn neu ist.

Die beiden sehen sich an und können es vor lauter Gefühlswallung fast nicht glauben: „Wir lieben uns!“ scheinen sie in ihren glücklichsten Momenten wortlos auszurufen. Das ist so realistisch, so typisch für die erste große Liebe! Insofern gleichen die beiden einem klassischen Bild von Romeo und Julia.

Wie von selbst finden sich da die richtigen Umarmungen, die schönen, einander zu körperlichem „Aufblühen“ findenden Posen.

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Sie lieben sich, und ihr Gefühl füreinander bestimmt fortan ihr Leben: Manon und Des Grieux, hier von der graziösen Sarah Hay und dem aufstrebenden Julian Amir Lacey beim Semperoper Ballett in Dresden getanzt. Foto: Ian Whalen

Auch die im Stück oft komplizierten Hebungen klappen vorzüglich, und Sarah Hay erscheint federleicht, Julian Amir Lacey dagegen männlich und stark.

Dass beide eine lyrisch-dramatische Aura verströmen, in der die Poesie mit Aktion Hand in Hand geht, würzt die getanzte Liebe der beiden noch um ein weiteres.

Aber was ist das, die Liebe?

Lacey zeigt vor allem die motivierende, beflügelnde Kraft der Liebe. Sein Des Grieux ist kein Blutsauger an der Geliebten, kein dekadenter Schmarotzer ihrer Begabung für Schönheit. Sondern er ist ein romantisch Verliebter, der ein Ideal in ihr sieht, das er tatkräftig verehrt, dem er aber auch das eigene Fluidum herzhaft entgegen hält.

Schönheit trifft Schönheit!

Dass es bei Des Grieux dennoch vor allem die Schönheit der Seele ist, die er von sich zeigen will, wird bereits bei Laceys erstem Auftritt klar. Er hält ein Buch in den Händen, in das er sich immer wieder vertieft. Er tändelt nicht mit dem Buch herum, wie Jiří Bubeníček es in der Premierenbesetzung tat. Für Bubeníčeks Des Grieux war das Buch nur schmückendes Beiwerk im Leben eines jungen Mannes, also nicht Besonderes. Er verliebte sich, gerade weil da eine Lücke in seinem Leben war.

Julian Amir Lacey legt Des Grieux anders an. Er ist ein inbrünstiger Student, er liebt die Schriften, er ist wie ein Wissenschaftler, der erforschen will, was die Welt im Innersten zusammen hält. Die Bücher geben ihm Ruhe, Gewissheit, Weisheit.

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Man bedankt sich gegenseitig für die tolle Leistung: Sarah Hay und Julian Amir Lacey nach „Manon“ in der Semperoper in Dresden. Foto: Gisela Sonnenburg

Doch als Manon auftritt, in ihrem hellblauen Kleidchen entsteigt sie der Kutsche, ist es mit seinem Seelenfrieden vorbei. Immer wieder muss Des Grieux seine Blicke zu ihr schweifen lassen, immer enger fühlt er sich an sie gefesselt. Das Buch wird Stück für Stück bedeutungslos.

Als er endlich mit ihr allein ist, legt er los, in seinem Solo, das seine Entwicklung vom angepassten Bravling zum außer Rand und Band geratenen Liebenden schon anklingen lässt. Zuerst verhalten, dann mit immer mehr Drive präsentiert er sich. Da gibt es zarte, elegante Arabesken und Drehungen vom Feinsten zu sehen!

In den späteren Soli setzt Des Grieux seine Entwicklung fort: weg vom banalen Alltag, hin zu himmelhochjauchzender Emotion! Nicht nur darstellerisch, sondern auch mit choreografischen Mitteln wird diese Richtung formuliert. Jeder Kniefall eine Offenbarung!

Sarah Hay kann denn auch sowohl ihre hellen, zarten tänzerischen Töne als auch ihre dunkle Leidenschaft als Manon zeigen.  Ihr aufgewecktes Naturell bietet ihr eine feine Grundlage für die Manon, die sie dann einerseits ins Raffinierte, Durchtriebene weiter entwickelt, der sie andererseits aber etwas Naives, entzückend Spontanes bewahrt. So lässt sich diese Manon vom glitzernden Geschmeide, das ihr später ein reicher Freier anbietet, ganz unmittelbar beeindrucken – während ihr andererseits ihr Geliebter Des Grieux eine ganz andere Art der Begeisterung zu entlocken vermag.  Es ist wunderschön, so viele Facetten einer so jungen Tänzerin bereits zu sehen, zumal viele, auch talentierte TänzerInnen zu Beginn ihrer Solokarrieren zu so etwas noch lange nicht in der Lage sind, sondern wirklich erst nach einigen Jahren Erfahrung in großen Rollen diese auch schillernd gestalten können. Insofern ist Sarah Hay eine Frühbegabte! Was mich darin bestärkt, anzunehmen, dass wir früher oder später noch viel von ihr hören und sehen werden…  Kurz: Wer Sarah Hay als „Manon“ nicht gesehen hat, verpennt es, dieses Jungtalent schon jetzt in Augenschein zu nehmen!  Zumal die Abläufe in Ballettcompagnien ja normalerweise nicht so sind, dass hervorragende Talente eine Chance nach der anderen bekommen können. Zumal, wenn es - wie in Dresden – eine Vielzahl aufstrebender TänzerInnen gibt. Beide, Sarah Hay wie Julian Amir Lacey, werden sich noch weiter entwickeln (müssen). Was wiederum am besten durch das Tanzen und Auftreten in bedeutenden Rollen funktioniert.  Ein Anfang ist jetzt gemacht, und er könnte nicht vielversprechender sein!

Abendfüllende Ballette verlangen gerade von den Hauptdarstellern sehr viel: Julian Amir Lacey und Sarah Hay beim Schlussapplaus. Bravo! Foto: Gisela Sonnenburg

Hier kommt Lacey aber auch seine exzellente Technik zu Gute: Er ist ein hoch begabter Dreher, der vielfache Pirouetten in allen nur möglichen Variationen hinlegt, als seien sie das Einfachste von der Welt. Er reißt dabei nicht, er wackelt nicht, er steht nicht schief noch krumm. Es ist die Freiheit des Tänzers, die sich in seinen formvollendeten Drehungen zeigt!

Einfache Pirouettes en dehors, also nach außen gedrehte, sind dabei, und sie wirken hier so frisch und satt an Spannung, dass man sie wie am ersten Tag erblickt. Aber auch serielle Chainés von bezwingender Schönheit bietet Julian Amir Lacey. En attitude pirouettiert er ebenso sicher wie im Passé. Und wenn er akkurat auf einem Bein stehen bleibt, nach Beendigung der Drehungen, dann ist etwas, mit dem vor wenigen Jahren der Primoballerino Ethan Stiefel beim American Ballet Theatre noch international gelobt Furore machte.

Ich will nicht sagen, dass außer Stiefel und Lacey kein Tänzer in der Welt das auch kann oder konnte. Aber es ist doch etwas sehr Besonderes, mit welcher Eleganz und Akkuratesse – und dennoch nicht blutleer oder spannungslos! – sich dieser blutjunge Tänzer zu behaupten weiß.

Auch die Arabesken hält Lacey mit Eleganz und Stärke so leichthin und beständig waagerecht, als sei das die natürlichste Position für ein Paar Beine. Er könnte vermutlich stundenlang so stehen, wenn man das verlangen würde, zumindest kommt es einem so vor.

Das hilft natürlich enorm, den Effekt, den Ballett prinzipiell machen soll, nämlich eine Sekunde Glück in eine gefühlte Ewigkeit auszudehnen, zu bewirken.

Sarah Hay kann denn auch sowohl ihre hellen, zarten tänzerischen Töne als auch ihre dunkle Leidenschaft als Manon zeigen.  Ihr aufgewecktes Naturell bietet ihr eine feine Grundlage für die Manon, die sie dann einerseits ins Raffinierte, Durchtriebene weiter entwickelt, der sie andererseits aber etwas Naives, entzückend Spontanes bewahrt. So lässt sich diese Manon vom glitzernden Geschmeide, das ihr später ein reicher Freier anbietet, ganz unmittelbar beeindrucken – während ihr andererseits ihr Geliebter Des Grieux eine ganz andere Art der Begeisterung zu entlocken vermag.  Es ist wunderschön, so viele Facetten einer so jungen Tänzerin bereits zu sehen, zumal viele, auch talentierte TänzerInnen zu Beginn ihrer Solokarrieren zu so etwas noch lange nicht in der Lage sind, sondern wirklich erst nach einigen Jahren Erfahrung in großen Rollen diese auch schillernd gestalten können. Insofern ist Sarah Hay eine Frühbegabte! Was mich darin bestärkt, anzunehmen, dass wir früher oder später noch viel von ihr hören und sehen werden…  Kurz: Wer Sarah Hay als „Manon“ nicht gesehen hat, verpennt es, dieses Jungtalent schon jetzt in Augenschein zu nehmen!  Zumal die Abläufe in Ballettcompagnien ja normalerweise nicht so sind, dass hervorragende Talente eine Chance nach der anderen bekommen können. Zumal, wenn es - wie in Dresden – eine Vielzahl aufstrebender TänzerInnen gibt. Beide, Sarah Hay wie Julian Amir Lacey, werden sich noch weiter entwickeln (müssen). Was wiederum am besten durch das Tanzen und Auftreten in bedeutenden Rollen funktioniert.  Ein Anfang ist jetzt gemacht, und er könnte nicht vielversprechender sein!

Ein sehr erfolgreiches Debüt war das: Sarah Hay und Julian Amir Lacey mit Stolz im Blick beim Schlussapplaus nach „Manon“ am 14. November 2015 in der Dresdner Semperoper. Foto: Gisela Sonnenburg

Da Lacey, dieser angehende Primoballerino – der derzeit noch Coryphée ist, also weniger als ein Halbsolist – zudem über einen äußerst wohl geformten Körper verfügt, der in der Harmonie seiner Proportionen an Roberto Bolle erinnert, dürfen wir noch Großes von ihm erwarten! Langsam, aber sicher wird sich dieses Jungtalent an die Spitze tanzen – nach dem Debüt als Des Grieux und auch in Erinnerung an seine exzellenten Auftritte in William Forsythes „Impressing the Czar“ dürfte da niemand mehr Zweifel haben.

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Sarah Hay in der MIte der ersten Reihe beim Schlussapplaus nach „Manon“ am 14.November 2015 in der Semperoper in Dresden – ihr und ihren KollegInnen: Bravo, Bravo! Foto: Gisela Sonnenburg

Anders und doch ähnlich liegen die Dinge bei Sarah Hay. Die junge Amerikanerin, die in ihrer Geburtsstadt New York an ballettprominenter Stelle ausgebildet wurde, hat zweifelsohne das Zeug dazu, mal eine der international ganz großen Primaballerina zu werden. Ihre Sinnlichkeit, gepaart mit ihrer Anmut, lassen sie – zumal wenn man bedenkt, dass sie noch nie eine solche abendfüllende Partie zuvor getanzt hat – zu einer regelrechten Hoffnung des Balletts werden.

Natürlich hat sie noch nicht die ganz große Aura wie Melissa Hamilton, die Star- und Premierenbesetzung der „Manon“, die, kaum, dass sie einen Fuß auf die Bühne setzt, von innen zu leuchten scheint.

Aber Sarah Hay hat ebenfalls eine starke, besondere Ausstrahlung, so dass man kaum die Augen von ihr lassen kann, wenn man sie tanzen sieht. Ihre Rolleninterpretation ist dabei wunderbar durchgefeilt, fantastisch detailgetreu und fesselnd in jeder Sekunde, wirkt jedoch nie künstlich oder aufgesetzt.

Hays Manon ist so sinnlich wie anmutig – und dabei von einer Gegenwärtigkeit, die einen wirklich glatt vom Hocker reißen kann. Toll!

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Die Sächsische Staatskapelle Dresden spielt unter dem balletterfahrenen Dirigenten Paul Connelly mit Verve und Klarheit! Die Musik von Jules Massenet bildet so einen mitreißenden Klangteppich zum dramatischen Geschehen. Foto vom Schlussapplaus mit dem Maestro Connelly: Gisela Sonnenburg

Man verfällt ihr, wie die Männer auf der Bühne, und man spürt, wie diese Ballerina Macht über einen gewinnt. Man hängt mit den Augen an ihr, man will wissen, wie sie was als nächstes unternimmt.

Oh, sie lächelt! Das ist das Größte, und bei Sarah Hay ist es so, dass nicht nur ihr Mund und nicht nur ihr Gesicht, sondern zusätzlich ihr ganzer Körper zu lächeln scheinen. Was für ein Sonnenschein im Bühnenlicht!

Dazu neigt sie den Kopf nicht arrogant, aber unendlich anmutig. Ihre „Armarbeit“, also das Tanzen mit den Armen und Händen, ist graziös und leicht, ganz luftig, ohne zu stocken – ein einziger geschmeidiger Bewegungsfluss. Es winkt Hoffung in jeder ihrer Gesten!

Sarah Hay kann denn auch sowohl ihre hellen, zarten tänzerischen Töne als auch ihre dunkle Leidenschaft als Manon zeigen.  Ihr aufgewecktes Naturell bietet ihr eine feine Grundlage für die Manon, die sie dann einerseits ins Raffinierte, Durchtriebene weiter entwickelt, der sie andererseits aber etwas Naives, entzückend Spontanes bewahrt. So lässt sich diese Manon vom glitzernden Geschmeide, das ihr später ein reicher Freier anbietet, ganz unmittelbar beeindrucken – während ihr andererseits ihr Geliebter Des Grieux eine ganz andere Art der Begeisterung zu entlocken vermag.  Es ist wunderschön, so viele Facetten einer so jungen Tänzerin bereits zu sehen, zumal viele, auch talentierte TänzerInnen zu Beginn ihrer Solokarrieren zu so etwas noch lange nicht in der Lage sind, sondern wirklich erst nach einigen Jahren Erfahrung in großen Rollen diese auch schillernd gestalten können. Insofern ist Sarah Hay eine Frühbegabte! Was mich darin bestärkt, anzunehmen, dass wir früher oder später noch viel von ihr hören und sehen werden…  Kurz: Wer Sarah Hay als „Manon“ nicht gesehen hat, verpennt es, dieses Jungtalent schon jetzt in Augenschein zu nehmen!  Zumal die Abläufe in Ballettcompagnien ja normalerweise nicht so sind, dass hervorragende Talente eine Chance nach der anderen bekommen können. Zumal, wenn es - wie in Dresden – eine Vielzahl aufstrebender TänzerInnen gibt. Beide, Sarah Hay wie Julian Amir Lacey, werden sich noch weiter entwickeln (müssen). Was wiederum am besten durch das Tanzen und Auftreten in bedeutenden Rollen funktioniert.  Ein Anfang ist jetzt gemacht, und er könnte nicht vielversprechender sein!

Applaus für alle! Foto vom Schlussapplaus nach „Manon“ am 14. November 2015 in Dresden: Gisela Sonnenburg

Sarah Hays Technik ist dabei ganz superbe. Sie kann mit ihren Füßen, den Schenkeln, den Hüften sprechen, ganz kontrolliert und dennoch hingebungsvoll und reich nuanciert.

Sie kann denn auch sowohl ihre hellen, zarten tänzerischen Töne als auch ihre dunkle Leidenschaft als Manon zeigen.

Ihr aufgewecktes Naturell bietet ihr eine feine Grundlage für die Manon, die sie dann einerseits ins Raffinierte, Durchtriebene weiter entwickelt, der sie andererseits aber etwas Naives, entzückend Spontanes bewahrt. So lässt sich diese Manon vom glitzernden Geschmeide, das ihr später ein reicher Freier anbietet, ganz unmittelbar beeindrucken – während ihr andererseits ihr Geliebter Des Grieux eine ganz andere Art der Begeisterung zu entlocken vermag.

Es ist wunderschön, so viele Facetten einer so jungen Tänzerin bereits zu sehen, zumal viele, auch talentierte TänzerInnen zu Beginn ihrer Solokarrieren zu so etwas noch lange nicht in der Lage sind, sondern wirklich erst nach einigen Jahren Erfahrung in großen Rollen diese auch schillernd gestalten können. Insofern ist Sarah Hay eine Frühbegabte! Was mich darin bestärkt, anzunehmen, dass wir früher oder später noch viel von ihr hören und sehen werden…

Kurz: Wer Sarah Hay als „Manon“ nicht gesehen hat, verpennt es, dieses Jungtalent schon jetzt in Augenschein zu nehmen!

Zumal die Abläufe in Ballettcompagnien ja normalerweise nicht so sind, dass hervorragende Talente eine Chance nach der anderen bekommen können. Zumal, wenn es – wie in Dresden – eine Vielzahl aufstrebender TänzerInnen gibt. Beide, Sarah Hay wie Julian Amir Lacey, werden sich noch weiter entwickeln (müssen). Was wiederum am besten durch das Tanzen und Auftreten in bedeutenden Rollen funktioniert.

Ein Anfang ist jetzt gemacht, und er könnte nicht vielversprechender sein!

Sarah Hay kann denn auch sowohl ihre hellen, zarten tänzerischen Töne als auch ihre dunkle Leidenschaft als Manon zeigen.  Ihr aufgewecktes Naturell bietet ihr eine feine Grundlage für die Manon, die sie dann einerseits ins Raffinierte, Durchtriebene weiter entwickelt, der sie andererseits aber etwas Naives, entzückend Spontanes bewahrt. So lässt sich diese Manon vom glitzernden Geschmeide, das ihr später ein reicher Freier anbietet, ganz unmittelbar beeindrucken – während ihr andererseits ihr Geliebter Des Grieux eine ganz andere Art der Begeisterung zu entlocken vermag.  Es ist wunderschön, so viele Facetten einer so jungen Tänzerin bereits zu sehen, zumal viele, auch talentierte TänzerInnen zu Beginn ihrer Solokarrieren zu so etwas noch lange nicht in der Lage sind, sondern wirklich erst nach einigen Jahren Erfahrung in großen Rollen diese auch schillernd gestalten können. Insofern ist Sarah Hay eine Frühbegabte! Was mich darin bestärkt, anzunehmen, dass wir früher oder später noch viel von ihr hören und sehen werden…  Kurz: Wer Sarah Hay als „Manon“ nicht gesehen hat, verpennt es, dieses Jungtalent schon jetzt in Augenschein zu nehmen!  Zumal die Abläufe in Ballettcompagnien ja normalerweise nicht so sind, dass hervorragende Talente eine Chance nach der anderen bekommen können. Zumal, wenn es - wie in Dresden – eine Vielzahl aufstrebender TänzerInnen gibt. Beide, Sarah Hay wie Julian Amir Lacey, werden sich noch weiter entwickeln (müssen). Was wiederum am besten durch das Tanzen und Auftreten in bedeutenden Rollen funktioniert.  Ein Anfang ist jetzt gemacht, und er könnte nicht vielversprechender sein!

Und noch ein Applaus! Nach „Manon“ von Kenneth MacMillan in der Semperoper in Dresden. Foto: Gisela Sonnenburg

Julian Amir Lacey, der erst 2013 von der Schule ins Profiballett kam, muss sowieos als aufstrebender Jungstar gelten. Und Sarah Hay hat dieses Talent, sie ist entsprechend fleißig – und sie ist sowohl an der hoch renommierten School of American Ballet in New York als auch in der dort benachbarten JKO (Jacqueline Kennedy Onassis School of Ballet at American Ballet Theatre) ausgebildet worden. Beim Semperoper Ballett, wo sie in der Obhut von Ballettdirektor Aaron S. Watkin unter ganz fantastischen Trainings- und Ballettmeistern wie Gamal Gouda, Rebecca Gladstone und Raphaël Coumes-Marquet weiter an sich arbeitet, tanzt sie seit 2010. Seit 2012 ist sie Coryphée, hat also mit kleinen Solopartien generell Aufstiegschancen, nachdem sie erste Berufserfahrungen beim North Carolina Dance Theatre und beim Pennsylvania Ballet machte. Beim Letzteren gab es damals, soweit ich aus anderer Quelle sicher weiß, mit Tamara Hadley eine besonders strenge, aber auch besonders gute Ballettmeisterin.

Die Wichtigkeit guter Ballettmeister (BM) ist auch bei „Manon“ von Kenneth MacMillan besonders zu bedenken. Die „BM“s sind ja einerseits Fußballtrainern zu vergleichen, andererseits aber auch Regisseuren. Die Einstudierung von Schrittfolgen geschieht heutzutage zwar meist über Videos. Darin waren die Ballettmeister früher noch so etwas wie das Gedächtnis der ballettösen Weltgemeinschaft. Heute gibt es DVDs und auch Notationen nach der Benesh-Methode, also professionelle Aufzeichnungen. Was sie heute aber immer noch unverzichtbar leisten, ist das „Wie“ der Bewegungen zu vermitteln.

Also: Wie laufen die einzelnen Bewegungen ab, was sollen sie bedeuten? Stil und Geschmeidigkeit, Sicherheit und Ausdruck sind Domänen der Ballettmeister. Ihr Metier ist eine Kunst für sich, und ohne besonders fähige Ballettmeister könnte es kein noch so begabter Balletttänzer an die Weltspitze schaffen.

Aber man muss als TänzerIn eben auch begabt darin sein, die Vorgaben der BMs aufzugreifen und sinnvoll zu realisieren. Sarah Hay hat dieses Talent ganz sicher! Sie hat vor allem mit Karl Burnett, dem Gastcoach, aber auch mit der noch Rudolf-Nurejew-erprobten Patricia Ruanne an der Partie von Manon gearbeitet.

„Wir hatten das Vergnügen, mit Karl Burnett an der ‚Manon’ zu arbeiten“, so sagte es mir Sarah Hay: „Er ist der ‚Gutu’ für dieses Stück, und er war sehr hilfreich, um die Geschichte zu erzählen.“ Burnett hat international schon viele Stars zu Manon und Des Grieux gemacht – er ist ein Kenner sowohl der spezifischen Ballettmaterie als auch darin, typisches Tänzerpotenzial zu erkennen.

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Claudio Cangialosi tanzt in dieser Besetzung den Lescaut, den Bruder der Titelfigur „Manon“: mit Eleganz und dem egwissen Etwas. Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Das zeigt sich auch in einer Männer-Szene: Des Grieux wird von Lescaut, dem Bruder Manons, in dieser Besetzung von Claudio Cangialosi mit Eleganz und dem gewissen Etwas getanzt, nachgerade brutal unterworfen. Denn der verliebte Jungmann will nicht dulden, dass seine Manon im Bordell käuflich ist. Aber Lescaut macht ihm in einem aufregenden, kämpferischen Männerpaartanz klar, worum es hier geht: um das Überleben auch der beiden Jungs unter einigermaßen akzeptablen Bedingungen. Am Ende muss sich Des Grieux wie in einem Ringkampf unterwerfen, Lescaut triumphiert.

Claudio Cangialosi und Julian Amir Lacey tanzen dieses Duell so dramatisch, als ginge es um Leben und Tod. Tatsächlich kommt Lescaut später um: Die Lebenszeit war im Barock mitunter sehr knapp bemessen.

Auch den Tanz mit der Flasche meistert Claudio Cangialosi als Lescaut mit Bravour, wenn auch nicht ganz so brillant-schelmenhaft wie Denis Veginy in der Premieren- und Schlussbesetzung.

Aber das Markante der Rolle arbeitet er heraus, und wie die Lebenslust und Geldgier der handelnden Personen – allen voran Manon und ihr Bruder – die Handlung voran treibt, lässt sich gerade während des zweiten Akts ganz deutlich ersehen und erfühlen.

Für Hay wie für Julian Amir Lacey fiel die „Manon“ übrigens sozusagen vom Himmel. Beide waren überrascht, als sie erfuhren, dass sie für die Hauptrollen besetzt wurden, und beide hatten zunächst auch Angst, die damit verbundenen bedeutenden Aufgaben nicht zu schaffen. Aber wie es so ist bei begabten Menschen: Der Ansporn und Antrieb hart zu arbeiten, wird dadurch nur noch verstärkt, so dass das Ergebnis umso sehenswerter ist.

Wenn diese zwei sich inmitten ihrer filigranen Hebeakte küssen, ist es jedenfalls unmöglich, nicht dahinzuschmelzen wie Eis in der Südseesonne!

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Sie haben bald nur noch sich: Manon (Sarah Hay) und Des Grieux (Julian Amir Lacey) an der Semperoper in Dresden. Foto: Ian Whalen

Lacey, der wie Sarah aus den USA stammt und an der School of American Ballet in New York, aber auch an der Palucca Hochschule für Tanz ausgebildet wurde, hat außerdem, als Vorbereitung auf die Rolle, die verschiedensten Des Grieux-Darstellungen auf youtube-Videos studiert. In der Zusammenarbeit mit Karl Burnett und Patricia Ruanne hat der junge Dresdner Shooting Star, der erst seit 2013 überhaupt Profitänzer ist, dann seinen eigenen Weg zu Des Grieux gefunden.

„Ich wusste, dass da eine Menge Arbeit auf mich zukommt“, sagt Julian – und meint das nicht negativ, sondern in dem Sinn, dass er die Arbeit wie ein froh zu bestehendes, aber nicht ganz kampfloses Abenteuer begreift.

Sein Des Grieux wird nicht auf den ersten Blick, aber auf den zweiten oder dritten so stark von Manon fasziniert, dass bereits diese Faszination beginnt, ihn zu verändern und seiner Persönlichkeit eine neue Seite hinzufügt. Das Solide, Brave, Gehorsame, das er zu Beginn noch zeigt, weicht der gefühlten Notwendigkeit, mit dieser Frau zusammen zu leben. Liebe als Notwehr vor dem langweiligen, innerlich armseligen Dasein…

Seine Leidenschaft überrollt Des Grieux hier dabei fast selbst – und es ist ein Schauspiel im Schauspiel zu sehen, wie Julian Amir Lacey als Des Grieux seine eigenen Gefühle zu akzeptieren lernt.

Sarah Hay kann denn auch sowohl ihre hellen, zarten tänzerischen Töne als auch ihre dunkle Leidenschaft als Manon zeigen.  Ihr aufgewecktes Naturell bietet ihr eine feine Grundlage für die Manon, die sie dann einerseits ins Raffinierte, Durchtriebene weiter entwickelt, der sie andererseits aber etwas Naives, entzückend Spontanes bewahrt. So lässt sich diese Manon vom glitzernden Geschmeide, das ihr später ein reicher Freier anbietet, ganz unmittelbar beeindrucken – während ihr andererseits ihr Geliebter Des Grieux eine ganz andere Art der Begeisterung zu entlocken vermag.  Es ist wunderschön, so viele Facetten einer so jungen Tänzerin bereits zu sehen, zumal viele, auch talentierte TänzerInnen zu Beginn ihrer Solokarrieren zu so etwas noch lange nicht in der Lage sind, sondern wirklich erst nach einigen Jahren Erfahrung in großen Rollen diese auch schillernd gestalten können. Insofern ist Sarah Hay eine Frühbegabte! Was mich darin bestärkt, anzunehmen, dass wir früher oder später noch viel von ihr hören und sehen werden…  Kurz: Wer Sarah Hay als „Manon“ nicht gesehen hat, verpennt es, dieses Jungtalent schon jetzt in Augenschein zu nehmen!  Zumal die Abläufe in Ballettcompagnien ja normalerweise nicht so sind, dass hervorragende Talente eine Chance nach der anderen bekommen können. Zumal, wenn es - wie in Dresden – eine Vielzahl aufstrebender TänzerInnen gibt. Beide, Sarah Hay wie Julian Amir Lacey, werden sich noch weiter entwickeln (müssen). Was wiederum am besten durch das Tanzen und Auftreten in bedeutenden Rollen funktioniert.  Ein Anfang ist jetzt gemacht, und er könnte nicht vielversprechender sein!

Applaus für Dirigent Connelly und die Sächsische Staatskapelle beim Schlussapplaus nach „Manon“. Foto: Gisela Sonnenburg

Es ist ja auch eine unerhörte Rolle, dieser Des Grieux. Ein junger Mann lässt alle Sicherheit und alle Zukunftsperspektiven, alles, wonach er je gestrebt hat, fahren, um sich ganz der Liebe zu einer Ausgestoßenen zu widmen! Es ist schon paradox, dass seine Angebetete ausgerechnet als Hure arbeiten will.

Aber eine andere Möglichkeit hat sie nicht, um zu materieller Sicherheit zu gelangen. Das war schon im 18. Jahrhundet so, als Abbé Prévost den Roman „Manon“ in Frankreich publizierte. Eine Kurtisane und ein Vertreter des niedrigen Adels verlieben sich da heftig ineinander, und als sie verhaftet und in die USA in eine Strafkolonie verschickt wird, folgt er ihr und versucht, mit ihr gemeinsam zu fliehen. Sie überlebt das nicht lange und stirbt, auf der Flucht, in seinen Armen.

Der Roman führt den jungen Mann wieder zurück nach Paris, in sein „normales“ Leben, zurück auf den Pfad der Tugend ohne gefährliche Leidenschaft. Das Ballett von Kenneth MacMillan aber endet mit dem Tod Manons: Für den Des Grieux des Balletts ist mit Manon jeder Sinn des Lebens erloschen. Eine Sünde war seine Liebe zu ihr sowieso nie – vielmehr eine Tugend, wenn auch eine, die man nicht zur Regel für jeden machen kann.

Und wie zeigt sich das? Des Grieux und Manon, das unmögliche Paar: Er gibt sich lieber als ihr Ehemann aus, als die Möglichkeiten auszuloten, sie tatsächlich zu heiraten. Denn was brächte die Ehe den beiden? Sein Leben wäre gesellschaftlich ruiniert, ihres ebenfalls. Die beiden wären in bitterste Armut abgestürzt – und am Ende in die Kriminalität gedrängt worden. Früher oder später wäre die Prostitution Manons, um beide am Leben zu erhalten, immer wieder als Möglichkeit aufgetaucht.

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Noch einmal Schlussapplaus für das hervorragende Ensemble in „Manon“ beim Semperoper Ballett. Foto: Gisela Sonnenburg

Der Roman und das Ballett „Manon“ haben viele Gemeinsamkeiten und manche Unterschiede. Einer ist, dass MacMillan das Stück aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in die Zeit um 1800 verlegt. Es gibt sogar eine Anspielung auf Napoleon: Gleich das erste Bild, das die Zuschauer sehen, zeigt Lescaut in einer Pose, die an Napoleon erinnert: mit Napoleonsmantel, Napoleonsgeste und Napoleonshut, dem vorn flachen Dreispitz, wie ein Denkmal auf der Bühne sitzend. Die Musik spielt, und er sitzt da, wie ein Mahnmal – denn die Zeit wird vergehen, eine Revolution wird alles verändern, Kriege werden abermals alles verändern, und die Gesellschaft wird nicht zu sich selbst finden, und nur eines bleibt als Hoffnung: die überstarke Liebe zweier Menschen zueinander.

Frühbarock und Spätbarock mischen sich, dazu kommen imperialistisch-biedermeierliche Elemente, das ist im Bühnenbild wie in den Kostümen von „Manon“ traditionell so. Choroegraf Kenneth MacMillan, der selbst ein sozialer Aufsteiger im piekfeinen britischen Ballettimperium war, wollte eine revolutionäre Note in der History seines Stücks. Das Jahr der Französischen Revolution, 1789, war für ihn das Wichtigste in der Geschichte der Stadt Paris – und mit „Manon“ wollte er zeigen, dass diese eine Revolution zwar notwendig war, aber bei weitem nicht ausreichte, um die Geschicke der Menschheit langfristig zu verändern. Die Ausstattung von Peter Farmer, die in Dresden zu sehen ist, zeigt das Ansinnen MacMillans, die verschiedenen Ästhetiken sichtlich zu verschmelzen, musterhaft – und mit so vielen ästhetischen „Hinguckern“, dass man jedes Mal, wenn man das Stück sieht, auch hier Neues entdeckt.

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Das Corps de ballet beim Schlussapplaus nach „Manon“ in der Semperoper in Dresden. Foto: Gisela Sonnenburg

Vor allem aber begeistert auch das Corps de ballet der Semperoper-Truppe! Die zwölf Dirnen, die im ersten Akt als Straßenmädchen, im zweiten Akt als Bordell-Luder und im dritten Akt als geschorene Opfer der Justiz auftreten, agieren in ihren Rollen so überzeugend, als seien auch sie Solistinnen, die sich halt nur einen Part teilen.

EIn junges frisches Paar tanzt "Manon" in der Semmperoper in Dresden.

Die „Dirnen“ aus „Manon“ tragen im dritten Akt die Outfits von abgerissenen Straftäterinnen um 1800, die mit geschorenen Köpfen wie Sinnbilder der Abgestraften anmuten. Sehr ergreifend: Das corps de ballet vom Semperoper Ballett. Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Die sechs Bettler, die auf den Punkt genau synchron sowie kanonisch Sprünge, Schleifschritte und Drehungen absolvieren, sind mit Anthony Bachelier, Alejandro Martínez, Skyler Maxey-Wert, James Potter, Balasz Steven Szijarto und Houston Thomas nachgerade blendend. Auch ihr Ausdruck stimmt: Diese abgerissenen Kleinkriminellen leben ja hart am Rand des totalen Absturzes, und umso intensiver, um so munterer genießen sie den Augenblick. Dennoch ist ihr Agieren von Bitterkeit durchsetzt, und das transportieren sowohl die Choreografie als auch der tänzerische Gestus. Es ist einfach fantastisch, wenn solche En-detail-Arbeit in einem Mammut-Stück wie „Manon“ so gut klappt. Allen beteiligten BallettmeisterInnen sei nochmals ein herzliches Dankeschön ausgesprochen!

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Raphael Coumes-Marquet ist beides: Darsteller (hier als G. M., der Manons körperliche Liebe kauft) und Ballettmeister beim Semperoper Ballett in Dresden. Hier beim Schlussapplaus! (Foto: GIsela Sonnenburg)

Und es geht noch weiter: Die „Kurtisanen“, in dieser Besetzung mit Aidan Gibson, Jenny Laudatio (für die zu Lescauts Geliebter avancierte Chantelle Kerr), Alice Mariani, Gina Scott und Duosi Zhu zu sehen, bezaubern mit ihren wirbelnden Röcken. Die „Gönner“, also die Freier, zeigen mit vornehmer Haltung und erotischer Bereitschaft viel Stil: Christian Bauch, Jan Casier, Joseph Hernandez, Václav Lamparter, Milán Madar, Casey Ouzounis und Francesco Pio Ricci sind eine Augenweide für sich.

Und wer denkt, im Bordell würde immer nur das Eine getan, liegt hier ganz falsch. Im zweiten Akt von „Manon“ zeigen die Huren nämlich unverblümt, worum es ihnen wirklich geht: darum, sich eine eigene Welt zu bauen.

EIn junges frisches Paar tanzt "Manon" in der Semmperoper in Dresden.

Die Madame, die Puffmutter, bleibt von der Strafkolonie verschont: Jenni Schäferhoff tanzt in allen Besetzungen von „Manon“ diese gar nicht mal anstandslose Rolle mit dem Fächer. Denn auch Madame spielt gern große Welt mit guten Manieren! Hier beim Schlussapplaus in der Semperoper in Dresden. Foto: Gisela Sonnenburg

Sich eine Gesellschaft zu errichten, in der sie wer sind und in der sie etwas darstellen. Eine Art Gegen-Adel. Ein Anti-Hofstaat. Eine vornehme Gesellschaft ist es allemal, in die sich die Kurtisanen und „heißen Mädchen“ hineinträumen, und sie träumen mit allen Mitteln – vor allem natürlich mit dem Glitzer- und Glamourkram, den ihnen die Freier schenken.

Auch die Geliebte vom Bruder der Manon hat im zweiten Akt so ein Traum-Solo.

Chantelle Kerr tanzt es so eindringlich, dass einem ihre Botschaft richtig ans Herz geht. Sie, die nur einen kleinen Gauner zum Freund hat, der seine Geschäfte in Bordellkreisen macht, wäre so gern eine Prinzessin, eine Adlige oder jedenfalls eine hochstehende, geachtete Person! Wie frei könnte sie dann leben, wie glücklich wäre ihr Fluidum.

EIn junges frisches Paar tanzt "Manon" in der Semmperoper in Dresden.

Noch einmal Jenni Schäferhoff, die in „Manon“ die Rolle der Madame tanzt: In deren Etablissement baut man sich eine eigene Welt zusammen… Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Die soziale Ungerechtigkeit der Ständegesellschaft anzuprangern, das gelingt Kenneth MacMillan wie nebenbei mit den ausgeklügelten Schrittkombinationen. Da quillt aus jeder choreografischen Besonderheit auch ein besonderer Inhalt. Und es macht das „große Kino“, das Ballett „Manon“, zu etwas sehr besonderem, dass hier die Politik sozusagen durch die Hintertür auch stets präsent ist auf der Bühne. Ohne, dass man Könige und Minister oder Revoluzzer und Volksverführer auftreten lassen muss.

EIn junges frisches Paar tanzt "Manon" in der Semmperoper in Dresden.

Ein Blick auf die Homepage zu Kenneth MacMillan (kennethmacmillan.com) – hier auf Englisch zu stöbern, ist nur zu empfehlen! Doku: Gisela Sonnenburg

MacMillan war, was man als Ideal bezeichnen muss: ein durch und durch demokratischer Künstler, der es auch vermochte, das in seiner Kunst auszudrücken. Gerade im Ballett, in dessen Gefüge die Bosse nicht selten recht autokratisch und sozusagen rückschrittlich agieren wollen, ist das eine außergewöhnliche, fortschrittliche Tugend. Immer noch ist Kenneth MacMillan darin moderner als so mancher Ballettchef von heute – wiewohl MacMillan 1992 hoch betagt verstarb. Die Chancen, dass er auch künftige Choreografen beeinflusst, steigen mit jeder Vorstellung, die von seinen Werken zu sehen ist.

EIn junges frisches Paar tanzt "Manon" in der Semmperoper in Dresden.

Erschöpft von der Schlussszene beim ersten Schlussapplaus: Julian Amir Lacey und Sarah Hay in „Manon“ von Kenneth MacMillan mit dem Semperoper Ballett. Foto: Gisela Sonnenburg

Als er „Manon“ kreierte, war er in London als Künstlerischer Leiter des Royal Ballet am Covent Garden noch nicht ganz so angesehen wie später. Er musste noch kämpfen. „Manon“ trug dazu bei, seinen guten Ruf nach vorne zu bringen und zu festigen – und es gibt für Ballettinteressierte einfach gar keinen vernünftigen Grund, eine Reise nach Dresden zu diesen phänomenalen „Manon“-Vorstellungen zu scheuen. Geld oder Liebe zur Kunst? Entscheide dich, Ballettfreund(in)!
Gisela Sonnenburg

Termine: diese Spielzeit nur noch am 18., 19. und 22. November!

Zur ausführlichen Premierenrezension geht es hier:

www.ballett-journal.de/semperoper-ballett-manon-premiere/

Weitere Infos auch hier:

www.semperoper.de

Und natürlich hier:

www.kennethmacmillan.com

 

 

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